Nur Training „unter Laktat“ verbessert die Laktattoleranz

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© Lothar Pöhlitz – 30. April 2020 – Obwohl bekannt ist, dass im Marathonlauf die besten Leistungen individuell aerob im Bereich zwischen 2 – 4 mmol/l Laktat, in Langstreckenrennen zwischen 12 - 18 mmol/l und im 800 m Lauf zwischen 21 – 24 mmol/l erreicht werden und die Laktattoleranz (Pufferkapazität) für das Endresultat wesentlich ist, stehen nicht selten vor allem die Kilometer und die aerobe Schwelle, auch im Nachwuchsleistungstraining, und noch dazu uneffektiv, im Zentrum des Trainings. D.h. die Anteile des Trainings zur Verbesserung der VO2max und der maximalen anaeroben Leistungsfähigkeit sind zu gering.

Laktattoleranz / Laktatverträglichkeit

bedeutet über einen begrenzten, aber möglichst immer längeren Zeitraum, erhöhte Wettkampf- Blut-Laktatwerte tolerieren zu können. Entscheidend ist dabei der Zeitraum ab dem Laktat nicht mehr ausreichend verstoffwechselt wird und es zur Laktat-akkumulation, zur Azidose nach 400 m und 800 m Rennen bis zu 25 mmol/l Laktat oder auch zu hochgradigen, geschwindigkeitsreduzierenden Übersäuerungen über 3000 m Hindernis oder 5000 m kommt. Laktat versorgt zunächst verschiedene Organe, das Gehirn und die Muskulatur anteilig mit Energie. Im Blut gemessene Laktatkonzentration sind also abhängig von der Laktatproduktion im arbeitenden Muskel und gleichermaßen von der Elimination durch die verschiedenen „Laktatverwerter“.

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Laktattoleranz trainieren -> Laktat besser und länger ertragen

Während eines mehr oder weniger intensiven Lauftrainings wird dem Körper vom Stoffwechsel vermittelt schneller mehr Energie durch Laktat als Energiequelle zu nutzen, zu eliminieren und gleichzeitig die Laktattoleranz zu steigern. Frühere Überzeugungen und Mythen wie schlecht Laktat - das Salz der Milchsäure – wäre, sind überholt und wurden von der Trainingspraxis widerlegt.

Heute wissen wir das durch entsprechendes Training Laktat immer besser und länger ertragen wird. Es wird nicht nur produziert, wenn der Körper unter Sauerstoffmangel läuft, Laktat oder Teile davon helfen bis zu bestimmten Intensitäten mehr und schneller Energie zu produzieren. Erst intensive anaerobe Belastungen führen dazu das Laktat, das nicht als Brennstoff verwendet bzw. gebraucht wird, akkumuliert.

Die Laktatkonzentration im Blut ist auch abhängig von der ererbten aeroben Kapazität und der Muskelfaserverteilung. In Muskelfasern des schnellen Typ II und IIb liegt die maximal mögliche Laktatproduktion etwa doppelt so hoch wie in Muskelfasern der oxidativ – langsamen Typ I Fasern.

In den Bahn - Disziplinen dem Organismus den Umgang mit Laktat lehren

Die Energiezulieferung „über Laktat“ erfolgt, wenn der Energiebedarf größer ist als die Energiebereitstellung. Anaerob-lactazide Energiedefizite ergeben sich im Ergebnis längerer Sprintbelastungen, im Schnelligkeitsausdauertraining und bei anaeroben Belastungen. Während im Blut der Laktatspiegel ansteigt, kommt es zur Erhöhung der H+ Ionenkonzentration, dies führt zur Übersäuerung (Acidose).

           „Die Laktat-Produktion erfolgt in der Skelettmuskulatur sowohl in Ruhe

           als auch während des Trainings. Laktat ist einer unserer wichtigsten

           Energieträger. In hochoxidativen Muskelfasern ist es die bevorzugte Energiequelle“

                                                                         (Brooks GA 1986).

           „Laktat ist möglicherweise einer der wichtigsten Energiebrennstoffe im Körper. Lassen Sie uns ein für alle Mal die schlechte Publicity aus dem Bewusstsein streichen die die Milchsäure auf sich gezogen hat, und ihr den ihr zustehenden Platz als einer der wichtigsten Brennstoffe des Körpers einräumen. Ein steigender Blutlaktatwert zeigt an das mehr Kohlenhydrate verbrannt werden, es bedeutet nicht, dass die Arbeit des Muskels anaerober wird“.                                        (Tim Noakes - Kapstadt 2009)

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          Die Ausdauerleistung wird begrenzt von der metabolischen Kapazität der Laufmuskulatur und der Transportkapazität des Blutkreislaufes. Sie ist abhängig vom „Trainingszustand“ des Energiestoffwechsels, der Leistungsfähigkeit der sauer-stoffaufnehmenden-, transportierenden und verwertenden Systeme, der Laufökonomie, der ererbten und entwickelten aeroben Kapazität, der spezifischen Muskelkraft und den Willensqualitäten für die Anforderungen der jeweiligen Laufstrecke.

Da Laktat bereits bei allen schnellen Läufen anfällt die länger als 60 m sind und auch bei 400 m oder 800 m Wettkämpfen von Schülern während der Glykolyse gebildet wird soll mit diesem Beitrag dazu angeregt werden, noch einmal über diese Prozesse nachzudenken und sie weniger als bisher aus dem Training zu verbannen. Vor allem für die Strecken 800 bis 5000 m ist es nützlich, wenn bei mittlerer und hoher Intensität Laktat für die Energieproduktion verstoffwechselt genutzt werden kann und der Körper lernt, während längerer mittlerer Belastungen das anfallende Laktat zu eliminieren.

Es sollte deshalb nie übersehen werden, dass das eigentliche Ziel des Hochleistungstrainings darin besteht, trotz ansteigenden Laktats, trotz „Übersäuerung“ - in Abhängigkeit von der Strecke - die angestrebte Geschwindigkeit immer länger aufrechterhalten zu können. Eine Alternative findet man in der Praxis der afrikanischen Ländern wo die Entwicklung zur Wettkampfleistung – wie auch bei uns früher - durch Tests auf standardisierten, dem Halbmarathon-, 10 km - oder 5 km nahen Strecken (Runden), im aktuell möglichen Tempo (ohne Laktatabnahmen) den Leistungsfortschritt dokumentiert werden.

Alle trainieren mit dem Ziel bestimmte Strecken immer schneller laufen zu können und trotzdem beginnen sie zu oft ihre Rennen „langsam“, oft auch weil es an schnellen Anteilen im vorbereitenden Training, von Startabschnitten, gefehlt hat.

In der Trainingspraxis hat man, auch im Jugendtraining, oft den Eindruck, dass Milchsäure und Laktat bei Athleten und Trainern „negativ besetzt“ sind und man lieber einen aeroben Dauerlauf mehr macht, als langfristig die Stoffwechselvorgänge und Energiebereitstellungssysteme aufzubauen und zu fordern die die Wettkampfleistungsfähigkeit entwickeln. Das aber funktioniert nicht ohne Anstrengungen und auch „hartes“ Training.

           Die Anzahl der „harten Trainingseinheiten pro Woche wird von der aktuellen, individuellen Erholungsfähigkeit bestimmt. Reicht sie beispielsweise für drei grenzwertige Belastungen nicht aus, muss zunächst die aerobe Kapazität verbessert, müssen die Kilometer erhöht werden.

           Auch Talente „die die Geschwindigkeit lieben und können“, brauchen diese mehr Kilometer und schnellere 3000 m, bevor sie über 1500 m zu den besseren gehören.

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Im Training zur Entwicklung der Energiebereitstellungssysteme wird in der Regel zwischen aerober und anaerober Ausdauer differenziert obwohl es sich immer um eine Mischform (Bereiche) aus beiden Systemen (Ausnahme Marathon) handelt. Die Intensität und Belastungsdauer bestimmen die jeweiligen Anteile. Aerobe Trainingsbelastungen erhöhen vor allem die aerobe Leistungsfähigkeit, anaerobe Trainingsbelastungen die Kapazität des anaeroben Stoffwechsels und die Laktatverträglichkeit.

           In allen Bahn-Laufdisziplinen begrenzt oder unterstützt das Niveau der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) die Entwicklung der anaeroben Kapazität. Die V02max repräsentiert die maximale Menge an Sauerstoff, die Läufer aufnehmen, transportieren und verwerten können, wenn Sie streckenabhängig grenzwertig – also reizwirksam - trainieren.

Läufer müssen ihren Tank auffüllen und ihrem Organismus die in Rennen ablaufenden Prozesse lehren

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Läufer müssen den Muskelzellen und dem Herz-Kreislauf-System lehren die Nutzung und Deaktivierung des anfallenden Laktats durch entsprechende Trainingsintensitäten während schneller oder weniger intensiven Laufpausen oder auch in Wettkämpfen immer besser zu bewältigen. Je länger die jeweilige Strecke ist, in der Läufer „unter Laktat“ eine bestimmte individuell hohe Geschwindigkeit aufrechterhalten können, umso größer ist ihre Laktatverträglichkeit / Laktattoleranz (Fähigkeit trotz Übersäuerung noch Leistungen zu vollbringen die sich immer mehr den unterschiedlichen Wettkampfanforderungen nähern). Sie ist besonders für die schnellen Laufstrecken des Elitebereichs von 800 – 5000 m wichtig, weil sie wiederum Voraussetzung für ein qualitativ hochwertiges wettkampfspezifisches Ausdauer-Training (wsA) ist, dass in Streckenlänge und Geschwindigkeit den Wettkampf-Zielanforderungen möglichst nahekommt. Das „wsA-Training“ bereitet „oberhalb des Laktattoleranztrainings“ (um 10 mmol/l Laktat und mehr) auf die Wettkampfanforderungen vor und soll im Prinzip anaerob hart, aber möglichst entspannt, im Wettkampftempo oder bis zu 10% schneller ablaufen.

Nach einem erfolgreichen Training zur Erhöhung der aeroben Schwelle & maximalen Sauerstoffaufnahme V02max ist das anaerobe Training – die Geschwindigkeitsarbeit, letztendlich für das Wettkampfergebnis entscheidend. Spezielle Ausdauer wird entwickelt, wenn in Vorwettkampf – Trainingsphasen, realistische Wettkampfziele vorausgesetzt, entsprechende Programme

  • 5 - 15 % schneller als im Renntempo
  • im Renntempo
  • 5 – 10 % langsamer als im Renntempo,

                                                                    kombiniert realisiert werden.

          Das anaerobe Mobilisationstraining ist ein wichtiger Teil der Leistungsvorbereitung von Mittelstrecklern. Es dient dem Ziel die möglichen maximalen Laktatauslenkungen für die jeweilige Strecke (z.B. 800 m bis 24 mmol/l) auch nutzen zu können.

Das heißt, Mittelstreckler müssen die Fähigkeit ausprägen, hohe grenzwertige „Wettkampf-Laktate“ durch ein sog. anaerobes Mobilisationstraining erreichen zu können. Besonders Ausdauertypen mit geringeren Anteilen an schnellen FT-Muskelfasern haben nicht selten Schwierigkeiten mit kurzfristiger Ausprägung der anaeroben Kapazität vor Wettkampfetappen.

Erreichen 800 m Läufer nach scheinbar voller Ausbelastung in einem Wettkampf beispielsweise nur 18 mmol/l Laktat kann davon ausgegangen werden, das im System der anaeroben Mobilisationsfähigkeit „nachgearbeitet“ werden muss. Die anaerobe Mobilisationsfähigkeit verändert sich, wenn in Abhängigkeit von höheren Geschwindigkeiten und Bewegungsfrequenzen (z.B. in Vorbereitung von Wettkampfleistungen) durch die Erhöhung der glykolitischen Schlüsselenzyme in den schnell kontrahierenden Muskelfasern (FTF) die Laktatmobilisation ansteigend gefordert wird. Dazu dienen wenige hochintensive Läufe bis zu 500 m Länge – mit hohen Laktatauslenkungen - in Phasen der unmittelbaren Vorbereitung auf Wettkampfperioden.

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Unterschätze nie die Bedeutung der Unterdistanzen

„Ein toller Spurt im Wettkampf ist nur möglich, wenn man vorher das Tempo des Feldes halten kann. Das setzt eine hohe aerobe Kapazität (V02max), eine hohe Laktatschwelle, sowie eine gute Laufökonomie voraus. Um die V02max zu optimieren muss der Läufer die Sauerstoffversorgung- und verarbeitung während des Laufens bis zu ihren Grenzen belasten“ (Jack Daniels 2009)

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Bereits 1986 wurde die dynamische Bewegung von Laktat im Körper und sein Potenzial mehr Energie in den Muskel abzugeben als „Laktat - Shuttle" vom amerikanischen Physiologen Dr. George Brooks beschrieben. Er hatte die Nutzung und die Eliminierung von Laktat und seine mögliche Verwendung wohl als einer der Ersten erkannt.

               "Intensive Übungen erzeugen mehr Laktat, dadurch passt sich der Organismus u.a. durch den Aufbau der Mitochondrien an und verbrennt die Milchsäure. Laktat das man als Energiequelle nutzt kann nicht akkumulieren." (George A. Brooks, UCB 2006 – freie Übersetzung)                                                                                         

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Siehe auch: Buecher